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Am 1.09.15 stellte Landeswirtschaftsministerin Eveline Lemke eine Studie zum Kohleausstieg vor (Pressemitteilung hier). Eine Kernaussage von ihr wurde mehrfach in der bundesdeutschen Presse zitiert: „Der Kohleausstieg ist bis 2040 machbar“. Da Frau Lemke auch den forschen Ausbau der Windkraft in Rheinland-Pfalz betreibt, lohnt sich ein Blick in die Studie, um die politische Denkweise zu verstehen.

Die kurze Aussage, der Kohleausstieg sei bis zum Jahr 2040 möglich, wird nicht durch die Studie gestützt. Das Dokument beschäftigt sich intensiv mit Szenarien, die bis ins Jahr 2030 reichen, wo laut den Ergebnissen bei allen geprüften Szenarien immer noch massiv Strom durch Kohle erzeugt wird. Das Wunder des Kohleausstiegs soll dann in den darauffolgenden 10 Jahren passieren. Allerdings wird im ganzen Dokument nur zwei Mal vom Jahr 2040 im Zusammenhang mit Maßnahmen zum Kohleausstieg gesprochen:

Seite 22: „Das Szenario 3 „Kohleausstieg“ stellt eine Erweiterung von Szenario 2 dar und strebt den Kohleausstieg bereits bis 2040 an, weshalb zusätzliche Kraftwerke vom Netz genommen werden. Dem Ausstieg bis 2040 liegt zugrunde, dass bereits das Ziel-Szenario, wenn die Entwicklung bis 2030 linear fortgeführt wird, nahe an einen Kohleausstieg heranreicht, da die Kraftwerke mit den höchsten spezifischen Emissionen vorrangig abgeschaltet werden. Davon abgesehen wird im politischen und wissenschaftlichen Raum ein Kohleausstieg bis 2040 bereits diskutiert. Unter anderen hat sich auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung im April 2014 für einen Ausstieg bis 2040 ausgesprochen.“

Seite 107: „Das Kohleausstieg-Szenario ist eine Erweiterung von Szenario 2 und visiert den Ausstieg aus der Kohle bis 2040 an. Das Jahr 2040 wurde aus zweierlei Gründen gewählt: Einerseits führt bereits das Ziel-Szenario, wenn die Entwicklung bis 2030 linear fortgeführt wird, bereits nahe an einen Kohleausstieg heran, insofern Kraftwerke mit den höchsten spezifischen Emissionen vorrangig abgeschaltet werden. Andererseits existiert ein Kohleausstieg bis 2040 bereits seit mehreren Jahren im politischen und wissenschaftlichen Raum. Unter anderen hat sich auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung im April 2014 für einen Ausstieg bis 2040 ausgesprochen.“

Kurze Sätze beschreiben das, was Frau Lemke als Nachweis für einen Ausstieg ansieht. In etwa steht hier, dass man nur die Daten mit dem Lineal einfach weiter zeichnen müsse und die Autoren der Studie halten dies für richtig, weil es die Politik so will. Wissenschaftliches Arbeiten hat einen anderen Anspruch.

Ein Beweis für die Möglichkeit des Abschaltens aller Kohlekraftwerke ist die Studie nicht. Dazu liegt der Fokus der Arbeit und der Berechnungen zu eng auf Geld und Gesetz, nicht betrachtet werden zum Beispiel physikalische Bedingungen wie der Netzausbau oder die notwendige Pufferung von durch Erneuerbare Energien erzeugtem Strom. Die elementare Frage, wie denn nun Investoren dazu gebracht werden sollen, das zu tun, was von der Politik gewollt ist, bleibt unbeantwortet. Die frohe Botschaft „der Kohleausstieg ist bis 2040 machbar“ muss also um ein paar „wenn“ und Fragezeichen ergänzt werden.

Die im Bericht aufgeführten Indizien für die Abschaltung sind sogar falsch. So wird unterstellt, dass in den Jahren 2019 und 2020 plötzlich 21,3 GW installierte Leistung für die Stromerzeugung durch Gaskraftwerke bereitgestellt werden (Abbildung 33 auf Seite 108 der Studie). Das sind mehr als 10 Großkraftwerke, wie jenes Gaskraftwerk in Mannheim, welches eine installierte Leistung von 1.675 MW hat, dabei aber auch noch Strom durch Kohleverfeuerung erzeugt. Werden die Kraftwerke gebaut, so werden 10 Jahre für Genehmigung, Planung und Bau bis zur Inbetriebnahme vergehen. Mit diesen Vorlaufzeiten solcher Vorhaben muss jetzt schon klar sein, wer die baut, der Spaten für die Grundsteinlegung sollte poliert sein. Stattdessen drohen Betreiber derzeit damit, im Jahr 2016 ihre Gaskraftwerke wegen des finanziellen Desasters in der Energiewende abzustellen (z.B. EON, Werk Irsching). Selbst der einfachste Realitätscheck führt bei dieser Studie schnell zu einem „mangelhaft“.

Schmunzeln muss man dagegen bei der Annahme, dass der Strombedarf gleich bleibt. Ist dies ein Eingeständnis, dass das beste Ziel der Energiewende, die Nettominderung des Stromverbrauchs, in unserem Land nicht durchführbar ist? Haben die Grünen dort kapituliert, wo für ihre Sponsoren nichts zu holen ist?

Wenn die Studie die Qualität der Argumente im bevorstehenden Wahlkampf in Rheinland-Pfalz darstellt, dann tun einem die Grünen fast schon leid. Bilden solche Werke allerdings die Grundlage für politische Entscheidungen, dann wird einem angst und bange.